Description
Düsseldorf-Hamm, 20. März 1943
Wie so oft in diesem Jahr fand Harry Molter auch in der vergangenen Nacht kaum Schlaf. Mittlerweile
musste er zu jeder Tages- und Nachtzeit darauf gefasst sein, vom durchdringenden Sirenenton der
Bomberwarnung aufgeweckt zu werden. Und dann war Eile nötig. Nach dem Schließen der Bunkertür
blieb keine andere Wahl als sich eine andere Schutzmöglichkeit zu suchen. Die Tür durfte bis zur
Entwarnung nicht mehr geöffnet werden. Und das hatte seinen Grund. Denn wenn just in diesem
Moment eine Granate in das Bunkerinnere gelangte, bedeutete das den Tod aller darin Schutz
suchenden Menschen. Die Vorstellung, mit seiner Familie vor der verschlossenen Bunkertür zu stehen,
entfachte in ihm immer wieder Angst und ließ ihn nachts nicht mehr in einen tiefen und erholsamen
Schlaf sinken. Eine untergründige Beklemmung nagte in ihm, wie in vielen Zeitgenossen, seit sie
spürten, dass Deutschland angreifbar war.
Kappes-Hamm, wie der Stadtteil wegen des groß?ächigen Anbaus von Kohl auch genannt wurde,
hatte seinen Dorfcharakter bewahren können. Enge Gassen zwischen Backsteinhäusern, Feldwegen
und Straßen verbanden den Zugang zum Rhein durch das Deichtor und setzten sich über den Deich
fort bis in die Rheinwiesen. Nicht weit entfernt befuhren Züge die Hammer Eisenbahnbrücke auf die
linke Rheinseite nach Neuss. Pioniere der Wehrmacht bewachten zwar das Rheinufer, waren aber im
Vergleich mit den amerikanischen Streitkräften auf der anderen, der Neusser Rheinseite für eine
Abwehr nicht gut gerüstet.
Hier war Harry aufgewachsen und mit seinen achtunddreißig Jahren einer der jüngeren Bauern, die
selbständig einen Hof führten. Er liebte seine Arbeit auf dem Feld und mit den Tieren. Steckrüben,
Kohl und Kartoffeln, den Molters gehörten seit vier Generationen viele Hektar Ackerland. Den
Spargelanbau mussten sie mit Beginn des Krieges leider aufgeben. Ein paar Schweine fanden im
Innenhof ihren Platz in einem Stall. »Harry, wo