Description
Mittwochabend. Ich bin auf dem Weg vom Büro nach Hause. Heute hatte ich den ganzen Tag Termine im Gericht und ich will nur noch heim und ins Bett. Viel lieber bin ich im Jugendzentrum der privaten Organisation unterwegs, für die ich nebenbei arbeite, und setze mich direkt für Jugendliche ein, die auf die schiefe Bahn geraten sind, aber mein Brotjob verlangt das nun mal. Im Moment beschäftigt mich ein Fall in beiden Jobs. Ich vertrete die Angehörigen einer jungen Frau, die an einer Überdosis starb. Der Hauptzeuge ist einer meiner Schützlinge aus dem Jugendzentrum.
Automatisch steuere ich durch die U-Bahn-Station Grand Army Plaza und werde mit den anderen New Yorkern die Treppen hinauf raus auf die Straße geschwemmt. Ein Blick in den Himmel genügt. Es regnet. Ein typischer kurzer New Yorker Schauer im Juni. Schnell spanne ich meinen Schirm auf und eile weiter. Ich stehe an der roten Ampel und starre auf die Pfützen auf dem Asphalt, die langsam immer größer werden. Die Lichter der Stadt spiegeln sich darin, bis ein vorbeifahrendes Auto die Silhouette der Metropole verzerrt. Als das weiße Männchen zum Gehen erscheint, sehe ich gar nicht auf, sondern folge dem Strom der Leute. Die Straßen sind voll, wie immer in dieser Stadt. Ich haste über die Straße, als mein Absatz plötzlich abbricht. Ich sehe mich schon nach hinten in die Pfützen fallen, meinen beigen Mantel ruinieren, genauso wie meinen Regenschirm. Doch da spüre ich, wie zwei Hände mich packen: einer am Oberarm, einer an der Hüfte. Ehe ich mich versehe, liege ich filmreif in den Armen eines Fremden, während einige Regentropfen mein Gesicht liebkosen. Ich sehe auf und meinem Retter ins Gesicht. Mein Herz stolpert, doch niemand ist da, um es aufzufangen. Blinzelnd, um meine Augen vor dem Regen abzuschirmen, muss ich zweimal hinschauen, um mich zu vergewissern, dass ich nicht träume. Es sind die gleichen Augen, das gleiche Gesicht, dass ich monatelang vor mir sah, wenn ich die Augen schloss. Das gleiche Gesicht wie